"Anton Bruckner: Symphonie Nr. 4 Es-Dur" »Romantische« (Fassung von 1878/80)

Gasteig-Orchester München

Christoph Lickleder, Leitung

Bruckner: Symphonie Nr. 4 Es-Dur


Als ein Höhepunkt der Spätromantischen Symphonik erklingt Anton Bruckners Symphonie Nr. 4 Es-Dur, genannt "Romantische", in der Fassung von 1878/80, und beeindruckt in dieser Live-Aufnahme des Gasteig-Orchesters München unter der Leitung von Christoph Lickleder.

(weitere Textinformationen siehe unten)









»[...] Unter Christoph Lickleders Leitung entfalten die Mitglieder des Gasteig-Orchesters die Partitur von Bruckners Vierter, der »Romantischen«, mit großem sinfonischem Atem, warmem, fülligem Klang und mit einer Kraft, die aus der Ruhe kommt. Was die Einspielung weiter auszeichnet, ist ihre Transparenz: Jenseits von allem diffusen Klangnebel erhalten hier sogar noch die Tremolo-Schraffuren Bruckners Kontur. Man vernimmt sonst selten wahrnehmbare Details, so im grandiosen Finalschluss, wo als Basis des hymnischen Bläserchorals markante Streicherfiguren durchhörbar bleiben.«
Mittelbayerische Zeitung



Programm / Trackliste:

Anton Bruckner (1824–1896):
Symphonie Nr. 4 Es-Dur »Romantische«
(Fassung von 1878/80)


I Bewegt, nicht zu schnell (22:27)
II Andante quasi Allegretto (17:28)
III Scherzo. Bewegt – Trio. Nicht zu schnell. Keinesfalls schleppend (12:43)
IV Finale. Bewegt, doch nicht zu schnell (25:48)

Live-Mitschnitt

» Als Download weltweit erhältlich über alle bekannten Portale
» Gesamtspielzeit Album: 78min 29sec
» Format: digital/Download | Reihe "Classics"
» Bestell-Nr.: TXA13034 | GTIN (EAN): 4250702800347




Schon bei den Symphonien Haydns oder Beethovens erfreuen sich bis heute die Werke mit (zumeist nicht vom Komponisten selbst stammenden) Beinamen ungleich größerer Popularität als ihre „namenlosen“ Geschwister. Es verwundert deshalb nicht, dass auch Anton Bruckners von ihm selbst so bezeichnete Romantische seine beliebteste Symphonie ist. Als "Verständnishilfen" gab er dem Werk auch verschiedene programmatische Erläuterungen mit, so schrieb er etwa in einem Brief an den Schriftsteller Paul Heyse:
"In der romantischen 4. Symphonie ist in dem 1. Satz das Horn gemeint, das vom Rathause herab den Tag ausruft! Dann entwickelt sich das Leben; in der Gesangsperiode ist das Thema: der Gesang der Kohlmeise Zizipe. 2. Satz: Lied, Gebeth, Ständchen. 3. Jagd und im Trio wie während des Mittagsmahles im Wald ein Leierkasten aufspielt."
Ob diese verstreuten Hinweise aber dazu berechtigen, das Werk wirklich als eine Programm-Symphonie in der Tradition von Hector Berlioz oder Franz Liszt anzusehen, ist mehr als fragwürdig, bezeichnenderweise gibt es keinerlei programmatische Hinweise zum gewaltigen, gut ein Drittel der Spieldauer des Werks in Anspruch nehmenden Finalsatz. Man dürfte in diesen Verweisen auf populäre romantische Natur- und auch Mittelalterbegeisterung wohl eher einen Versuch Bruckners sehen, seine neuartige, monumentale Musiksprache dem Publikum schmackhaft zu machen – ein Versuch, der im Falle der Romantischen letztendlich auch glückte.
Von vielen Bruckner-Symphonien existieren mehrere vom Komponisten als gültig erachtete Fassungen - ein Grundproblem bei der Rezeption von Bruckners Musik. Die Romantische hat er den wohl tiefgreifendsten Umarbeitungen unterworfen. Ein wichtiger Grund dafür liegt in der ablehnenden Haltung von Publikum, Interpreten und Kritik, die den leicht zu verunsichernden Komponisten häufig in schwere Krisen stürzte; inwieweit die Umarbeitungen auch Bruckners eigenem inneren Antrieb entsprangen, wird wohl niemals zweifelsfrei zu klären sein. Am ehesten lässt sich die Existenz der verschiedenen Fassungen bei Bruckner wohl deuten im Sinne von gleichberechtigten individuellen Ausformulierungen einer musikalischen Idee. Zusätzlich verschärft wird die Fassungsproblematik noch durch die vielfältigen, oft schwerwiegenden Eingriffe in Form, Harmonik und Instrumentierung durch wohlmeinende Freunde, Schüler und Dirigenten. Durch einschneidende Kürzungen und Anpassung an das herrschende Wagnersche Klangideal sollte Bruckners Musik für das Publikum leichter verdaulich gemacht werden. Bruckner hatte derartige Eingriffe häufig nachträglich autorisiert, so auch im Falle seiner Romantischen, wie noch zu zeigen sein wird. In solcherart unauthentischer Gestalt erklangen viele Symphonien jahrzehntelang, manche Dirigenten wie etwa Hans Knappertsbusch hielten zeitlebens an den von fremder Hand bearbeiteten Versionen fest. Erst mit dem Beginn der Arbeit an der ersten wissenschaftlichen Ausgabe von Bruckners Werken in den 1930-er Jahren setzte die Beschäftigung mit Bruckners Musik in ihrer originalen Gestalt ein. Durch die nach dem Zweiten Weltkrieg begonnene neue Gesamtausgabe seiner Werke sind nun auch sämtliche unterschiedlichen Fassungen zugänglich.
Anton Bruckner begann mit der Arbeit an seiner Romantischen am 2. Januar 1874. Die Erstfassung beendete Bruckner im gleichen Jahr an einem äußerst sinnfälligen Datum, dem 22. November, dem Namenstag der heiligen Cäcilia, der Schutzpatronin der Musik (erhoffte sich der tiefgläubige Bruckner deren Beistand bei der Durchsetzung des neuen Werks?).
Das Jahr 1874 stand für den Komponisten jedoch unter keinem guten Stern: Seine Versuche, eine Anstellung an der Wiener Universität zu erlangen, blieben erfolglos, außerdem verlor er seinen Lehrauftrag an der Lehrerbildungsanstalt St. Anna. Die dadurch enstandene prekäre finanzielle Situation schildert Bruckner in einem Brief vom 12. Januar 1875:
"Ich habe nur das Conservatorium, wovon man unmöglich leben kann. Mußte schon im Sept. und später wieder Geld aufnehmen, wenn es mir nicht beliebte, zu verhungern. Zum Glück sind einig Ausländer gekommen, die Lectionen bei mir nehmen, sonst müßte ich betteln gehen." Auch die Versuche, seine dritte Symphonie durch die Wiener Philharmoniker aufführen zu lassen, schlugen fehl. Bruckner bereute seinen Umzug nach Wien zutiefst. In der zweiten Jahreshälfte 1875 sollten sich seine Lebensumstände jedoch deutlich verbessern: Bruckner erhielt einen Posten als stellvertretender Archivar und zweiter Singlehrer an der Hofmusikkapelle und die (allerdings vorerst unbezahlte) Stelle eins Lektors für Harmonielehre und Kontrapunkt an der Universität. 1876 lernte Bruckner bei den Bayreuther Festspielen den Berliner Musikschriftsteller Wilhelm Tappert kennen, der sich an Bruckners Romantischer sehr interessiert zeigte und sich für eine Aufführung in Berlin einsetzen wollte. Auch bei den Wiener Philharmonikern versuchte der Komponist nochmals sein Glück, doch keine der erhofften Aufführungen der neuen Symphonie kam zustande. Erst 1975, mehr als 100 Jahre nach ihrer Entstehung, wurde die Erstfassung der Romantischen in Linz durch die Münchner Philharmoniker (die sich wie kaum ein anderes Orchester um Bruckners Musik verdient gemacht haben) unter Kurt Wöß uraufgeführt. In den letzten Jahren setzen sich allerdings verstärkt Dirigenten für die sperrigere Erstfassung der Romantischen ein, etwa Simone Young in Hamburg oder Kent Nagano in München.
Nach der vorläufigen Beendigung der Arbeit an seiner fünften Symphonie begann 1876 eine erste große Umarbeitungsphase, in deren Verlauf sich Bruckner zwischen Januar und November 1878 auch die Romantische vornahm. Das Werk wurde entscheidend gekürzt (der Finalsatz etwa von 616 auf 477 Takte), spieltechnisch und rhythmisch anspruchsvolle Passagen wurden entschärft, hatten doch gerade diese Bruckners Musik bei den Wiener Philharmonikern den Ruf der Unspielbarkeit eingetragen (ein Vorwurf, den die Wiener Philharmoniker neuen oder nicht genehmen Werken gerne machten, noch Ende des 19. Jahrhunderts bezeichneten sie Franz Schuberts große C-Dur-Symphonie als unspielbar!). Auch revidierte Bruckner die Instrumentierung (er fügte etwa eine Basstuba hinzu, der Holzbläsersatz ist weniger eigenständig behandelt als in der Erstfassung, was vor allem die Fagotte betrifft), der formale Verlauf wurde deutlich geglättet durch längere kontinuierliche Verläufe mit weniger Generalpausen und weniger schroffen dynamischen Kontrasten als in der wesentlich zerklüfteteren Fassung von 1874. Vor allem aber wurden ausgedehnte Passagen völlig neu komponiert, Bruckner ersetzte sogar den ursprünglichen dritten Satz durch das heute bekannte "Jagdscherzo". Der Finalsatz von 1878 erschien Bruckner aber wohl zu leichtgewichtig (der Komponist hatte ihn mit dem Titel "Volksfest" versehen), zwischen November 1879 und Juni 1880 entstand die nunmehr dritte Finalversion der Romantischen. Der neue Schlusssatz ist mit 541 Takten wieder deutlich länger als die Version von 1878. Durch motivische Rückbezüge auf das Jagdscherzo (etwa in der ersten großen Steigerung) und Anklänge an das Andante durch Einfügung einer trauermarschähnlichen Episode in das Gesangsthema (wie in der Exposition des Satzes ab Takt 93) wird eine stärkere zyklische Abrundung der Symphonie erreicht. Insgesamt unterscheidet sich das Finale von 1880 so stark von seinen Vorgängerversionen - nicht zuletzt durch seinen düster-dramatischen Charakter - dass man eher von einer Neukomposition als von einer Neufassung sprechen sollte.
Die Fassung von 1878 mit dem Finale von 1880 wurde am 20. Februar 1881 von den Wiener Philharmonikern unter der Leitung Hans Richters uraufgeführt und zum ersten großen Erfolg des Symphonikers Bruckner in Wien. Die Geschichte der Umarbeitungen von Bruckners Romantischer ist damit jedoch noch keineswegs beendet: Noch 1881 nahm der Komponist kleinere Änderungen an der Symphonie vor, wohl vor allem im Hinblick auf eine neuerliche Aufführung des Werks am 10. Dezember 1881 in Karlsruhe. 1886 versuchte Bruckner, die Romantische in Druck zu geben, die von ihm angeschriebenen Verlage Schott und Bote & Bock lehnten jedoch beide ab. Allerdings forderte im selben Jahr der in New York tätige Dirigent Anton Seidl die Partitur an und machte Bruckner Hoffnungen, in den USA einen Verleger für das Werk zu finden. Der Komponist nahm nochmals einige kleinere Änderungen der Instrumentierung vor, ehe er die Partitur an Seidl schickte. So fügte er am Schluss der Symphonie im 3. und 4. Horn das die Symphonie eröffnende Quintmotiv ein (eine Änderung, die sich allerdings als wenig effektiv herausstellt, da das Hornmotiv die Mittelstimme des Blechbläsersatzes bildet und deshalb akustisch kaum wahrnehmbar ist). Leopold Nowak, nach dem Zweiten Weltkrieg zuständig für die neue Bruckner-Gesamtausgabe, konnte 1953 bei seiner Edition der Romantischen in der Fassung von 1878/80 auf eine kurz zuvor an der Columbia University in New York aufgefundene Partiturabschrift mit diesen Änderungen von Bruckners Hand zurückgreifen. In dieser Fassung erklingt die Symphonie auch in diesem Livemitschnitt.
Ab 1887 wurde die Romantische im Hinblick auf eine Veröffentlichung bei dem Wiener Verlag Albert J. Gutmann nochmals überarbeitet. Im Vergleich zur Fassung von 1878/80 enthält diese Version einige Kürzungen, so entfällt etwa die Reprise des Hauptthemas im Finale. Die meisten Unterschiede ergeben sich beim Klangbild, für das Finale wurde die Orchesterbesetzung um eine dritte Flöte (alternierend mit Piccolo) und um Becken erweitert, die orgelregisterartig-blockhafte Instrumentierung der früheren Fassungen wurde in Richtung des Wagnerschen Mischklangs abgeändert. 1889 erschien diese Fassung in Druck, wegen einer Vielzahl von Fehlern erschien jedoch schon Anfang 1890 eine korrigierte Zweitauflage. Da diese Fassung einige nicht von Bruckners Hand stammende, sondern auf seinen Schüler Ferdinand Löwe zurückgehende Änderungen enthält, wurde sie seit den 1930-er Jahren in der Brucknerforschung mehrheitlich als nicht authentisch abgelehnt. Neuere Forschungen belegen jedoch, dass Bruckner die Stichvorlage für die Druckfassung 1888 mehrfach gründlich durchgearbeitet hat und somit wohl auch die Änderungen von fremder Hand gebilligt hat, weshalb diese Version inzwischen auch als "Fassung 1888" in der neuen Bruckner-Ausgabe erschienen ist.
Thomas Müller





Tags: Bruckner 4. Symphonie Romantische Es-Dur
GTIN EAN 4250702800347 TXA 13034 TYXart Labelcode LC 28001



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